G-rant: Healthy Shaming

Body Shaming, Fat Shaming, Skinny Shaming – alles Begriffe, die mittlerweile omnipräsent sind, über die (glücklicherweise!) immer mehr nachgedacht und berichtet wird. Meistens mit dem Ziel, das Bewusstsein für die Individualität des Menschen und für Body Positivity zu schaffen und zu erhöhen. Und obwohl wir hier noch ein riesiges Stück Arbeit vor uns haben, stelle ich in letzter Zeit fest, dass die Figur und das Aussehen selbst manchmal gar keine so große Rolle spielen, sondern mehr, was dieser „dicke“, „dünne“, „schöne“, „ungewöhnliche“ Körper zu sich nimmt. Wenn es um die Aufnahme von Nahrungsmitteln geht, erkenne ich in meinem Umfeld eine zunehmende Verbreitung eines Phänomens, das ich als „Healthy Shaming“ bezeichne. Äußerst selten habe ich mitbekommen oder gehört, dass jemand sagt „Oh du isst schon wieder Burger mit Pommes? Puh denkst du wirklich, das ist eine gute Idee?“ oder „Noch ein Stück Torte? Ehrlich? Vielleicht doch lieber einen Apfel?“. Solche Sätze nehmen wir als sehr unverschämt und beleidigend wahr und würden den meisten Menschen so nicht über die Lippen kommen.

Shhh Healthy Shaming
Wenn es sich jedoch um gesunde Mahlzeiten handelt, haben viele Personen kein Problem damit, diese zu kommentieren und zu beurteilen. Ohne weiter darüber nachzudenken oder sich dabei merkwürdig zu fühlen. „Schon wieder Salat? Ich könnte das ja nicht, ich brauche etwas Richtiges zu essen.“, „Boah du isst immer SO gesund! Schon wieder nur Grünzeug!“ oder auch „Na klar isst du wieder nur Obst. Hätte mich auch gewundert, wenn du jetzt mal richtig zugeschlagen hättest.“. Automatisch hat man immer gleich das Gefühl, sich rechtfertigen oder erklären zu müssen. Ja, aber du hast ja keine Ahnung, was ich am Wochenende alles gegessen habe! Was redest du da, ich habe doch gestern in deiner Anwesenheit ein Schokocroissant gefuttert! Aber gestern Abend habe ich mir vorm Fernseher Chips, Schokolade und Cheesecake gegönnt! Man sieht doch allein an meiner Figur, dass ich mich nicht ständig so ernähre! Na ja jetzt kommt aber bald die Weihnachtszeit und du weißt eh wie das ist! … Mittlerweile habe ich damit aufgehört. Oder versuche zumindest in den meisten Fällen, den Kommentar einfach so stehen zu lassen. Ich muss mich nicht dafür rechtfertigen oder entschuldigen, wenn ich Salat und Obst esse. Selbst wenn ich die ganze Zeit nur gesund essen oder 55 Kilogramm wiegen würde.
Manchmal enthalten diese Kommentare einen Zusatz und somit auch schon den Grund für ebendiese, nämlich: „Wenn ich dein Essen sehe, bekomme ich ein ganz schlechtes Gewissen, wenn ich jetzt das Stück Torte/den Burger/Wasauchimmer esse.“ Ganz sicher der schwerwiegendste Grund, warum wir über gesunde Essensentscheidungen in einem abwertenden Ton urteilen, ist, dass diese Person uns einen unangenehmen Spiegel vorhält. Weil wir uns eigentlich auch gesund ernähren möchten, es aber nicht hinkriegen. Oder weil wir uns eigentlich auch gesund ernähren sollten, es aber nicht wollen. Aber diese Person da macht es. Direkt vor uns. Das kann hart sein, das verstehe ich vollkommen. Ich selbst nehme mich hier absolut nicht raus – mir ist sehr wohl bewusst, dass auch ich manchmal kommentiere, wenn jemand seit langer Zeit keine Kohlenhydrate zu sich nimmt, sich vegan ernährt oder den ganzen Tag gar nichts isst. Seit ich am eigenen Leib erfahre, wie unnötig und teilweise auch ungut das ist und sein kann, versuche ich das jedoch zu vermeiden. Mir ist es ja auch egal, wenn du jeden Tag gebratene Ente mit einem riesigen Haufen Glutamat-Nudeln futterst. Also lass mich bitte meinen Salat essen – ohne Kommentar.

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