Sie. Die mit den haselnussbraunen Augen und den walnussbraunen Haaren. Oder vielleicht auch umgekehrt. Auf jeden Fall sie, die im Café ein paar Tische weiter sitzt. Mit dem schwarzen Lidstrich und den wuscheligen Locken. Wie sie ihre zarten, mit Ringen geschmückten Hände durch die Luft wirbelt und dazwischen manchmal kurz innehält, um über ihre nächsten Worte nachzudenken. Wie sie Haarsträhnen um ihren Zeigefinger zwirbelt oder sie aus dem Gesicht streicht und hinter ihr linkes Ohr klemmt. Wie sie ihre Stirn in Falten legt und ihre Augenbrauen zusammenkneift. Sie, die mit der tiefen, beruhigenden Stimme. Wie die vielen Worte, die aus ihrem Mund kommen, ihr Gegenüber fesseln und gebannt zuhören lassen. Sie, die so leidenschaftlich und temperamentvoll erzählt, dass ihr Charisma bis in jede Ecke des Cafés erstrahlt. Sodass es auch jene spüren, die zu weit weg sitzen, um sie zu hören. Vermutlich spricht sie davon, wie sie einmal die Welt gerettet hat. Oder von spannenden Gedanken einer irischen Schriftstellerin, die sie bewundert. Oder davon, wie sie bei ihrem Trip durch Südamerika fünf Wochen bei einer indigenen Familie im Dschungel wohnte. Ich höre sie nicht, aber ich möchte so gern. Möchte mich zu ihr setzen und ihr zuhören und zusehen. Sie.
Sie. Die Lehrerin, die nach dem Unterricht zufällig einige ihrer Schüler im Teenageralter in der S-Bahn trifft und mit ihnen nicht im belanglosen Smalltalk versinkt. Wie sie geduldig mit ihnen über ernste, politische und gesellschaftliche Themen spricht. Wie sie verständnisvoll auf die Fragen der Schüler eingeht, ihnen andere Blickwinkel nahelegt und sie zum Umdenken anregt. Wie sie ihnen in der vollen S-Bahn selbstsicher Kontra gibt und die Ansichten der Jugendlichen auch bei schwierigen Standpunkten behutsam in Frage stellt, ganz ohne schnippisch zu werden. Sie, die mit ihrer Art zwar vielleicht nicht ihre Schüler, dafür alle umsitzenden Fahrgäste fasziniert, sodass sie rundum bewundernd, dankbar und ermutigend angelächelt und betrachtet wird. Sie.
Sie. Die online nicht nur die Sonnenseiten ihres Lebens zeigt, sondern auch ihre Tiefpunkte. Wie sie wunderschöne, künstlerische, aber dennoch echte Momente teilt und so viel Gescheites, Interessantes, Inspirierendes zu sagen hat. Wie sie sich für Schwächere und Ausgegrenzte stark macht und sich nicht überheblich gibt. Wie sie andere beflügelt. Sie, die auch Seiten von sich zeigt, die viele als unschön oder unästhetisch bezeichnen würden. Die ihren Weg geht und offen zeigt, wie sie ihren Weg geht – mit all ihren Irrungen und auch Fehlentscheidungen. Sie, die so eindrucksvolle und bewegende Worte findet für schwierige Situationen im Leben. Wie sie ehrlich sagt, wovor sie Angst hat, dass sie sich manchmal selbst nicht mag, dass sie es ab und zu den ganzen Tag nicht aus dem Bett schafft. Sie, die zeigt, wie wichtig es ist, Rücksicht auf sich selbst, auf andere und die Umwelt zu nehmen. Die zeigt, wie man nachhaltig und liebevoll leben kann und das alles nach außen kommuniziert ohne andere mit erhobenem Zeigefinger belehren zu wollen. Sie.
Sie. Die Kellnerin mit den leuchtenden Sommersprossen und dem erdbeerblonden Knödel am Kopf. Mit dem warmen Lächeln und dieser speziellen, einnehmenden Ausstrahlung. Wie sie der alten Dame, die in dem hippen Lokal zwischen den vielen jungen Leuten so deplatziert wirkt, aus ihrem langen, schweren Mantel hilft. Ihr den Stuhl zurechtrückt und den Schal und die Handschuhe der Dame sicher verstaut. Wie sie ihr geduldig die Speisekarte vorliest, aufmerksam und beinahe rührend mit ihr spricht und ihr wenig später eine heiße Linsensuppe und ein Glas Rotwein serviert. Sie, die so charmant und sympathisch durchs Lokal schwebt. Wie sie mit ihrem Wesen den Raum mit Leichtigkeit, Leben und Wärme erfüllt. Sie.
Sie. Und die zweifache Mutter, die ihrer Tochter und ihrem Sohn nach einem beleidigendem Kommentar eines Typen in der U-Bahn ausführlich erklärt, dass diese Aussage rassistisch war und warum das scheiße ist. Sie. Und die alte Frau, die ihren gebrechlichen Mann stützt, ihm hilft die Treppe hinunterzusteigen und ihm liebevoll und zärtlich Mut zuspricht. Sie. Und die Frau in der Bäckerei, die auch frühmorgens und bei großem Andrang ruhig und herzlich bleibt und jedem Kunden einen schönen Tag wünscht. Sie. Und noch viele, viele andere.
Es gibt so viele tolle Frauen auf dieser Welt. Ich verliebe mich in jede einzelne ein bisschen.
Who runs the world? ♥
Sehr schön geschrieben 🙂
Liebe Grüße,
Anna
https://annaasophie.com/
Vielen Dank, Anna 🙂 ♥